Ladies & Gentlemen, Excellencies,
On behalf of the Heinrich Böll Foundation and our partner in this exercise, the European Council on Foreign Relations, I want to welcome you all to our 12th annual foreign policy conference in Berlin.
This is a truly international event. We will have the opportunity to listen and talk to speakers from different parts of Europe, from the United States as well as from countries of the global south, and the composition of our audience will be even more international, including representatives of numerous embassies, supranational institutions and think tanks.
We are not less happy to have members of the German and European Parliament with us and we appreciate the presence of experts from the federal Government of Germany as well as from the academia and from Non-Governmental Organisations.
These are exactly the participants we want to have for a conference like this, which shall provide a platform for transnational and transsectoral exchange.
If you don’t mind, I now will continue my opening remarks in German – as a green political foundation, we highlight and promote diversity, and this should apply to lingual diversity, too. We will run this conference in German and English, providing simultaneous translation – and I want to extend my compliments to our interpreters in advance, who will do a most important job today and tomorrow.
Meine Damen und Herren,das Thema dieser außenpolitischen Jahrestagung ergab sich fast von selbst. Im September vor 10 Jahren krachten zwei entführte Passagierflugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Center in New York, ein weiteres stürzte auf das Pentagon in Washington.
Wer damals am Fernsehschirm Zeuge dieser Ereignisse war, wird sie nie vergessen. Die meisten Beobachter hatten vermutlich das gleiche Gefühl: dies ist ein Ereignis, das die Welt verändern wird, eine historische Zäsur, von einer ähnlichen Tragweite wie der Fall der Berliner Mauer, um bei einem Beispiel der jüngeren Zeitgeschichte zu bleiben. Dieses Gefühl hat sich aus der Rückschau eines Jahrzehnts bestätigt. 9/11 wurde zum Katalysator für politische Entwicklungen, die eine tiefe Spur in der internationalen Politik hinterlassen haben. Und die meisten von uns werden heute das Gefühl teilen, dass die Welt in diesen 10 Jahren nicht besser und nicht sicherer geworden ist.
Wir wurden Zeugen von zwei langwierigen Kriegen in Afghanistan und im Irak, die Hunderttausende Menschen das Leben gekostet haben, und beide Länder sind immer noch weit entfernt von Frieden und Stabilität.Wir sahen eine ungeheure Entfaltung amerikanischer Militärmacht und zugleich einen Niedergang der politisch-moralischen Autorität der USA in der Welt, eine Selbstgefährdung der amerikanischen Demokratie im Namen des Kampfs gegen den Terror. Dafür stehen nicht nur Guantanamo und Abu Ghraib, sondern auch die Einschränkung von Bürgerrechten und eine um sich greifende Festungsmentalität, die gerade die hervorragendsten Eigenschaften der amerikanischen Demokratie unterminierte: ihre Weltoffenheit, ihren religiöse Toleranz und ihr Selbstvertrauen in die globale Ausstrahlung einer liberalen Demokratie.
Der militärische Sturz Saddam Husseins, der eigentlich den Weg für eine Demokratisierung des nahen und mittleren Ostens öffnen sollte, öffnete die Büchse der Pandora und mündete in einen langwierigen ethnisch-religiösen Bürgerkrieg, der Zehntausende Zivilisten das Leben kostete. Statt die Region zu stabilisieren, stärkte er ausgerechnet den Einfluss des Iran als neue regionale Großmacht.
Die Art und Weise, wie der „Krieg gegen den Terror“ geführt wurde, gab den Kräften Auftrieb, die auf einen „clash of civilisations“ zwischen dem Westen und der islamischen Welt aus sind. Radikalislamische Strömungen sind im nahen und mittleren Osten, in Zentralasien und im Kaukasus heute stärker als vor 10 Jahren, und umgekehrt bekamen antiislamische Ressentiments in Europa heftigen Auftrieb. Das gegenseitige Misstrauen ist gewachsen.
Unter dem Strich hat der „war on terror“ die terroristische Gefahr für Amerika und Europa eher vergrößert, ganz abgesehen von der endlosen Kette terroristischer Anschläge in muslimisch geprägten Ländern – es sind ja vor allem Muslime selbst, die den Gewaltakten islamischer Extremisten zum Opfer fallen. Während es kaum gelingt, Afghanistan zu stablisieren, stehen weitere Länder auf der Kippe zum „failed state“, darunter mit Pakistan ein Atomwaffenstaat mit einem enormen internen und externen Chaospotential.
Auch für das transatlantische Bündnis war das kein gutes Jahrzehnt. Es klingt wie ein Märchen aus einer anderen Zeit, wenn man an den Satz von der „bedingungslosen Solidarität mit Amerika“ erinnert, den der damalige Bundeskanzler Schröder angesichts der Anschläge vom 11. September formuliert hat. Damit war es spätestens mit dem Angriff auf den Irak im Frühjahr 2003 vorbei. Die mentale Entfremdung zwischen Europa und den USA hat seither eher noch zugenommen, ebenso wie die Diskrepanzen innerhalb der NATO – siehe die Philippika, die der scheidende amerikanische Verteidigungsminister Gates unlängst gegen den Unwillen der Europäer gehalten hat, ihren Anteil an den Kosten gemeinsamer Sicherheit zu tragen.
In den USA mehren sich die Stimmen, die dafür plädieren, dass Amerika sich stärker auf sich selbst konzentrieren und das eigene Haus in Ordnung bringen muss, statt sich rund um die Welt in kostspieligen und opferreichen militärischen Abenteuern zu verschleißen. Amerika ächzt unter den Bürden einer globalen Ordnungsmacht. Es könnte sein, dass der alte Schlachtruf „Ami go home“ schneller Wirklichkeit wird als uns das lieb sein kann. Man muss bezweifeln, dass im Gegenzug die Bereitschaft Europas wächst, sich stärker international zu engagieren und einen größeren Teil der Verantwortung zu schultern.
Die Bilanz von 10 Jahren „war on terror“ würde noch düsterer ausfallen, wäre da nicht ein Ereignis, das seit kurzem die Welt verändert: ich rede vom politischen Frühling in der arabischen Welt, dem großen Aufbruch von Abermillionen Menschen, die dabei sind, das jahrzehntelange Joch von Despotie, Bürokratismus, Korruption und Rückständigkeit abzuschütteln. Niemand kann heute zuverlässig sagen, wie weit dieser Aufbruch tragen und wohin er führen wird. Die Euphorie der friedlichen Revolutionen in Tunesien und Ägypten wird überlagert von der blutigen Konterrevolution in Libyen und Syrien und von der Ungewissheit über die weitere Entwicklung in vielen Ländern der Region.
Aber dennoch kann man sagen, dass diesem Aufbruch etwas Befreiendes innewohnt. Er hat die selffullfilling prophecy eines unvermeidlichen Konflikts zwischen der islamischen Welt und dem Westen gesprengt; er hat gezeigt, dass die junge Generation in den arabischen Ländern ein Leben in Würde, Freiheit und Demokratie führen will; und er hat die Furcht dementiert, dass ein Zusammenbruch der autokratischen Regimes unvermeidlich den radikalen Islamisten in die Hände spielen wird – eine Furcht, die Amerika und Europa über lange Jahre zu einer schändlichen Bündnispolitik gegenüber Mubarrak, Ben Ali, Ghadafi und Konsorten bewogen hat.
Wir haben jetzt die historische Gelegenheit für einen neuen Brückenschlag zwischen dem Westen und den arabischen Gesellschaften, und wir müssen alles tun, damit vor allem die Europäische Union diese Gelegenheit nicht verpasst. Das erfordert eine vorbehaltlose Unterstützung der Demokratiebewegung in der Region, massive Investitionen in die ökonomische und soziale Zukunft dieser Länder und den Aufbau eines kooperativen Netzwerks auf allen Gebieten, von Bildung und Wissenschaft bis zu sicherheitspolitischer Zusammenarbeit.So könnte doch noch die Vision Wirklichkeit werden, dass die politische und ökonomische Modernisierung der muslimisch geprägten Länder dem radikalen Islamismus den Boden entziehen wird. Die Erschießung Bin Ladens durch ein amerikanisches Spezialkommando wäre dann nur noch eine Fußnote in der Geschichte von 9/11.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Fotos der Außenpolitischen Jahrestagung 2011
Videomitschnitte von der Außenpolitischen Jahrestagung
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